Das Bauteil und sein Werkstoff im Detail

Der Werkstoff

Der hier verwendete Werkstoff gehört zur Gruppe der „Advanced High Strength Steels“, das sind Stähle die durch eine gezielte Beeinflussung des Gefüges ein besonders günstiges Verhältnis von Festigkeit zu Verformbarkeit aufweisen.

Quelle: voestalpine Stahl GmbH
voestalpine Stahl GmbH

Um diese Eigenschaften zu erreichen, sind feste und weiche bzw. zähe Phasen im Werkstoff erforderlich.  Man spricht von Mehrphasenstählen bzw. Komplexphasenstählen. Die Grundmatrix des Gefüges besteht aus Bainit. Die helle Phase repräsentiert Ferrit und verbessert die Verformbarkeit. Die dunkle martensitische Phase führt zu einer Erhöhung der Festigkeit. Das feinkörnige Gefüge eines Komplexphasenstahls verbessert sowohl die Festigkeit als auch Zähigkeit. Die Herstellung dieser Stähle verlangt neben einer bestimmten Stahlzusammensetzung auch eine genau kontrollierte Wärmebehandlung.

voestalpine Stahl GmbH

Die Herstellung

Bei Komplexphasenstählen liegt der Kohlenstoffgehalt bei maximal 0,2 Massenprozent. Dieser wird in Abhängigkeit des späteren Bauteils gewählt. Niedrigere Kohlenstoffgehalte begünstigen die Verformbarkeit, aber reduzieren die Festigkeit. Komplexphasenstähle sind unter anderem mit Silizium, Mangan, Chrom, Molybdän und den Mikrolegierungselementen Niob bzw. Titan legiert. Die Mikrolegierungselemente bewirken neben einer Ausscheidungshärtung eine entsprechende Kornfeinung des Gefüges. Das Legieren von geringen Mengen an Bor führt zu einer sehr starken und positiven Beeinflussung des Umwandlungsverhaltens unter der Voraussetzung, dass Bor im Stahl gelöst ist und nicht als Bornitrid (BN) ausgeschieden wird. Der im Stahl gelöste Stickstoff muss durch die Zugabe von Titan als das stabilere Titannitrid (TiN) abgebunden werden. Die Stahlzusammensetzung garantiert für die nachfolgenden Produktionsschritte das geforderte Umform- und Umwandlungsverhalten.

Das gewalzte Stahlblech wird in einer Kontiglühe wärmebehandelt. Nach einer vollständigen Austenitisierung des Gefüges wird durch eine exakte Einstellung des Temperaturverlaufs im Glühprozess gezielt die sich bildenden Phasen mit den geforderten Anteilen eingestellt. Dies führt zu Stählen mit höchsten Festigkeiten bei gleichzeitig günstiger Kaltverformbarkeit.

Um den Stahl im späteren Einsatz vor Korrosion zu schützen, wird dieser mit einer dünnen Zinkschicht überzogen. Abschließend kann die Endgeometrie des Bauteils durch Kaltumformung eingestellt werden. Der Kohlenstoffgehalt ist hierbei ein limitierender Faktor für die Bauteilkomplexität.

Wofür wird der Werkstoff benötigt?

Besonders geeignet sind Komplexphasenstähle, wie der ausgestellte Längsträger, für crashrelevante Bauteile in der Automobilindustrie.  Dank seiner Mikrostruktur ist es dem Bauteil möglich bei einer Belastung sehr viel Energie aufzunehmen, ohne dabei zu brechen. Unter anderem werden in der voestalpine Linz diese Art von Stählen erzeugt. Bevor dieser an den Kunden ausgeliefert wird, wird er verschiedenen Tests unterzogen. Einer davon ist der Crashtest: Hierbei wird überprüft, wie sich der Stahl im Falle eines Autounfalles verhält. Entscheidend ist hierbei, dass sich der Längsträger zusammenfaltet, ohne dabei zu brechen. Dadurch ist gewährleistet, dass im Falle eines Verkehrsunfalls die Knautschzone die meiste Energie aufnimmt und die Insassen geschützt sind. Das kann im Ernstfall Menschenleben retten.

Das abschließende Video von simulierten Frontalzusammenstößen zwischen alten und modernen Autos zeigt die sicherheitstechnische Weiterentwicklung durch die Verwendung von „Advanced High Strength Steels“.

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